
Hamburg (dpa/lno) – Die von Senat und Bürgerschaft ausgesprochene Entschuldigung für das bis in die 1990er Jahre begangene Unrecht an gehörlosen Menschen reicht aus Sicht des Sozialverbands nicht aus. «Die damaligen pädagogischen Methoden haben viele traumatisiert», sagte der Hamburger Sozialverbandsvorsitzende Klaus Wicher. Vielen seien Chancen und Möglichkeiten vorenthalten worden. «Dafür muss auch Hamburg Entschädigung leisten.»
Bürgerschaft und Senat entschuldigen sich
Die Bürgerschaft hatte in ihrer Sitzung am vergangenen Mittwoch mit Blick auf das jahrzehntelange Unrecht an Gehörlosen festgestellt: «Die Folgen dieser strukturellen Gewalt, insbesondere in Bildungseinrichtungen, sind bis heute nicht umfangreich aufgearbeitet, anerkannt und entschädigt worden.» Gleichzeitig forderte das Parlament den rot-grünen Senat auf, «sich auf Bundesebene für einen Entschädigungsfonds für heute Erwachsene, die als Kinder und Jugendliche in Schulen Leid und Unrecht aufgrund ihrer Hörschädigung erfahren haben, einzusetzen».
Die Entschuldigung sei ein sehr wichtiges Zeichen für alle Gehörlosen in der Stadt, sagte Wicher. Es reiche aber nicht, sich erst zu entschuldigen und dann die Verantwortung auf den Bund zu schieben. «Es ist schwierig, einen Entschädigungsfonds zu fordern, selbst aber nichts dazu beisteuern zu wollen», sagte Wicher. Auch der Senat müsse Geld zur Verfügung stellen.
Sozialverband fordert Sinnesbehindertengeld
Gehörlose seien weiterhin im Hintertreffen: «Ich verstehe nicht, warum der Unterstützungsbedarf gehörloser und taubblinder Menschen immer noch nicht anerkannt ist.» Wicher plädierte deshalb für ein Sinnesbehindertengeld. Gleichzeitig verwies er auf Thüringen, wo bereits 2023 anerkannt worden sei, dass alle sinneseingeschränkten Menschen unterstützt werden sollten. Dort erhielten Taubblinde und Gehörlose zusätzlich 172 Euro pro Monat. «Das würde auch in Hamburg vielen weiterhelfen», sagte Wicher.
Gehörlose haben nach Einschätzung der Bürgerschaft vor allem durch das teils mit Gewalt durchgesetzte Verbot von Gebärden und den Zwang zur Lautsprache in den Schulen bis in die 1990er-Jahre viel Unrecht und Leid erlitten. Erst 2002 wurde die Deutsche Gebärdensprache mit Verabschiedung des Behindertengleichstellungsgesetzes als eigenständige Sprache anerkannt. Und erst 2009 sei der gebärdensprachliche Unterricht mit der UN-Behindertenrechtskonvention gesetzlich verankert worden.