Parlamentspräsidentin Veit in Israel: Wegducken gilt nicht

Bürgerschaftspräsidentin Veit will bei einem Israelbesuch Hamburgs Beziehungen in das Land stärken (Archivbild).
Bürgerschaftspräsidentin Veit will bei einem Israelbesuch Hamburgs Beziehungen in das Land stärken (Archivbild). Foto: Marcus Brandt/dpa

Be’er Scheva/Hamburg (dpa/lno) – Angesichts des auch in Deutschland zunehmend kritisierten israelischen Vorgehens im Gazastreifen hat Hamburgs Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit vor übereilten Reaktionen gewarnt. «Wir tun gut daran, besonnen zu bleiben», sagte sie der Deutschen Presse-Agentur während eines viertägigen Besuchs in Israel. Mit keinem anderen Land weltweit habe Deutschland eine «solch spezielle Beziehung.» Veit hatte zuvor in Jerusalem auch die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem besucht. 

Deutschland habe außerdem «ein hohes Interesse an einer stabilen Demokratie in dieser Region», sagte sie. «Wegducken gilt deshalb nicht. Kein Weg führt daran vorbei, jetzt an der Frage mitzuarbeiten, wie Frieden und Sicherheit für alle im Land hergestellt werden können.»

Veit: Für Verzweiflung ist hier reichlich Anlass 

Dass das Vorgehen der israelischen Regierung vor dem Hintergrund der humanitären Katastrophe in Gaza auch in Berlin zunehmend kritisch gesehen werde, nehme man in Israel wahr und ernst. «Viel wichtiger ist aber, dass hier ganz offenbar auch die Zustimmung zum eigenen Vorgehen im Gazastreifen sinkt», sagte Veit. 

Bei einem Besuch in der Knesset habe sie die Anspannung spüren können. «Es geht um den Fortbestand der Regierungskoalition und damit auch die Frage, ob der Konflikt eine konstruktive Wendung nehmen kann.»

Das Trauma auf beiden Seiten sei größer, als man es sich vorstellen könne. «Jede blickt auf die eigenen Opfer und Verluste. Das gegenseitige Misstrauen und der Hass sitzen tief», sagte sie. «In den gespaltenen Bevölkerungen gibt es viel Hilflosigkeit.» Zwar sei nie etwas hoffnungslos, «aber für Verzweiflung ist hier reichlich Anlass».

Veit wirbt für geplantes Yad Vashem Education Center in Hamburg 

Bei ihrem Besuch in Yad Vashem habe sie mit dem Vorstandsvorsitzenden der Gedenkstätte, Dani Dayan, auch über Hamburgs Interesse gesprochen, Standort für das geplante deutsche Yad Vashem Education Center zu werden. Die Idee für eine solche Bildungseinrichtung geht auf ein Treffen Dayans mit dem damaligen Bundeskanzler Olaf Scholz im Januar 2023 zurück. 

Die neue Bundesregierung hatte sich in ihrem Koalitionsvertrag zur Unterstützung der Einrichtung eines solchen Zentrums bekannt. Im Koalitionsvertrag der rot-grünen Hamburger Regierung wird ebenfalls das Interesse bekundet, das Education Center zu beherbergen.

In der Hansestadt seien die Beziehungen zur jüdischen Gemeinde eng, sagte Veit. «Das zeigt sich nicht nur in der lebendigen Gedenkarbeit unserer Stadt, sondern auch in unserer Unterstützung für jüdisches Leben und nicht zuletzt für den geplanten Wiederaufbau der Bornplatzsynagoge.»

80 Jahre nach Ende des Krieges und der Verbrechen der NS-Zeit müsse «aus der Erinnerung etwas Neues, nach vorne gerichtetes entstehen», sagte sie. «Deswegen wäre Hamburg auch ein geeigneter Ort ist für das geplante Education Center der internationalen Gedenkstätte Yad Vashem.»

Hamburg will Beziehungen zu israelische Städten stärken 

Ihr Besuch in Israel sei nach einer Einladung des israelischen Botschafters in Deutschland, Ron Prosor, vor zwei Jahren lange geplant gewesen. Daran habe auch der Krieg nach dem Terrorangriff der radikalislamischen Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 nichts geändert. «Wir stehen zu unseren Freunden, auch wenn sie bedroht werden. Wir tauchen in schwierigen, gefährlichen Zeiten nicht ab und warten nicht auf bessere, einfachere Zeiten», sagte Veit. 

Zudem gebe es in Hamburg schon länger den Plan, Kontakte zu israelischen Städten zu erkunden und Hamburgs bestehende Verbindungen zu stärken. «Zur Region um Haifa gibt es beispielsweise ausgesprochen gute Kontakte, vor allem im Wissenschaftsbereich», sagte die Parlamentspräsidentin. Diese könnten um weitere Themen wie Wirtschaft und Jugendaustausch erweitert werden. «Und um weitere Regionen – deshalb habe ich aktuell Aschdod und Be‘er Scheva besucht.» An diesem Freitag wird sie in Hamburg zurückerwartet.