Ex-Staatsanwältin Brorhilker: «Schreddergesetz» stoppen

Aus Sicht von Ex-Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker sollten bei den Cum-Cum-Geschäften auch die Sparkassen in den Blick genommen werden. (Archivbild)
Aus Sicht von Ex-Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker sollten bei den Cum-Cum-Geschäften auch die Sparkassen in den Blick genommen werden. (Archivbild) Foto: Carsten Koall/dpa

Hamburg (dpa/lno) – Die frühere Kölner Oberstaatsanwältin und Cum-Ex-Jägerin Anne Brorhilker hat bei der Verfolgung krimineller Finanzgeschäfte zur Eile gedrängt. «Die Zeit drängt nicht nur wegen möglicher Verjährung, sondern vor allem auch wegen der zuletzt beschlossenen Verkürzung der Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege und Rechnungen unter dem Deckmantel des Bürokratieabbaus», sagte die Co-Geschäftsführerin der Bürgerbewegung Finanzwende beim Club Hamburger Wirtschaftsjournalisten. Dieses Jahr müsse genutzt werden, um möglichst viele noch nicht entdeckte Cum-Cum-Fälle aufzugreifen und Beweismittel zu sichern.

Als Anklagevertreterin mehr als 1.000 Verfahren angestoßen

Brorhilker wurde bundesweit bekannt, weil sie sich als eine der ersten dem «größten Steuerraub der deutschen Geschichte» angenommen und als Anklagevertreterin mehr als 1.000 Ermittlungsverfahren angestoßen hatte. Dabei ließ sie Banken, Behörden und selbst Räume von Spitzenpolitikern durchsuchen, trat auch im Hamburger Untersuchungsausschuss zum Cum-Ex-Skandal auf. 

Bei Cum-Ex-Geschäften haben sich Banken und andere Investoren Steuern in Milliardenhöhe erstatten lassen, die sie zuvor gar nicht gezahlt hatten. Bei Cum-Cum-Geschäften wiederum geht es darum, Kapitalertragsteuern gar nicht erst zu bezahlen. «Beide Geschäfte sind in der Praxis häufig hintereinander geschaltet», sagte Brorhilker. Die Täter machten oft ein Cum-Cum-Geschäft und nutzten dann die Aktie direkt im Anschluss noch mal für ein Cum-Ex-Geschäft. Der Steuerschaden liege konservativen Schätzungen zufolge bei den Cum-Ex-Geschäften bei rund 10 Milliarden Euro, bei den Cum-Cum-Geschäften bei fast 30 Milliarden Euro.

Rückforderungsquote bei «Cum-Cum» weniger als ein Prozent

Die Rückforderungsquote des Staates bei den Cum-Cum-Geschäften liege bislang bei weniger als einem Prozent, sagte Brorhilker. Umso wichtiger sei es, Druck zu machen und vor allem die verkürzten Aufbewahrungsfristen wieder abzuschaffen. «Das ganze Gesetz hilft nur denjenigen, die falsch gespielt haben und nicht denjenigen, die sich an Regeln halten», sagte Brorhilker. 

Da die Fristen für Finanzämter und die Steuerverwahrungen jetzt länger seien als die für Unternehmen, bewahrten ehrliche Firmen wegen möglicher Steuerprüfungen ihre Unterlagen freiwillig sowieso noch länger auf. Das «Schreddergesetz» nutze nur denjenigen, «die etwas zu verbergen haben, weil die kann man dann nämlich nicht mehr verfolgen».

Brorhilker: Sparkassen besonders in den Blick nehmen

Bei den Cum-Cum-Geschäften forderte Brorhilker, die Sparkassen in den Blick zu nehmen. Diese «haben auch Cum-Cum und strukturierte Wertpapieranleihen gemacht». Dabei seien sie gesetzlich zur Gemeinwohlorientierung verpflichtet, was bei sogenannten Taxtrades zulasten öffentlicher Kassen aber definitiv nicht der Fall sei. «Dazu muss man jetzt eigentlich kein Jurist sein, das liegt wirklich auf der Hand. Wenn ein Institut zu Gemeinwohlorientierung verpflichtet ist, dann darf es nicht in die öffentlichen Kassen greifen.»