
Rostock (dpa) – Der Direktor des Leibniz-Instituts für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) sieht die Wissenschaft in demokratischen Ländern angesichts von Kriegen und geopolitischen Spannungen vor der Aufgabe, ihr Wissen besser zu schützen. «Die Wissenschaftsfreiheit ist weltweit unter Druck», sagte der Meeresphysiker Oliver Zielinski, der auch Mitglied im Wissenschaftsrat des Bundes und der Länder ist, der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Anders als beim bisherigen Prinzip der offenen Wissenschaft werde die Frage immer wichtiger, mit wem man noch welche Daten teilen könne.
Wegen des Angriffskrieges auf die Ukraine sei etwa im Bereich der Meeres-, Küsten- und Polarforschung die Kooperation mit Russland vollständig eingestellt worden. Anders als etwa bei Ländern wie China oder dem Iran handle es sich bei Russland nicht um Risikominimierung (De-Risking), sondern um einen kompletten Bruch (De-Coupling). «Wenn man sich die geopolitische Lage und die Handlungen Russlands anschaut, kann es eine Zusammenarbeit auch nicht geben. Es gibt derzeit keine Basis», so Zielinski. Allerdings seien die Auswirkungen für die Ostseeforschung nicht besonders groß.
Kontrollposten auf der Brücke
Grundsätzlich seien aber Beziehungen auch zu autokratischen Staaten sinnvoll. «Denn der Klimawandel, die Vermüllung der Erde, der Biodiversitätsverlust, das sind alles Fragen, die nicht an Ländergrenzen haltmachen. Wir müssen auch diese Länder mitnehmen und mit ihnen zusammenarbeiten.» Jedoch sei es notwendig, Kooperationen und Wissenstransfers stärker zu selektieren. «Ich glaube weiterhin an Wissenschaftsdiplomatie, die Brücken bauen kann und muss. Nur, dass die Brücken nicht mehr ganz so breit oder ganz so offen sind, sondern an manchen Stellen Kontrollposten stehen.»
Zielinski verwies auch auf ein Beispiel der wissenschaftlichen Kooperation mit China. Dort gebe es eine Zusammenarbeit bei einem Projekt, das die Verschmutzung der chinesischen Küstenmeere durch Mega-Cities untersuche. «Das ist schon bemerkenswert, dass China zulässt, dass deutsche Forschung sich dort einbringt», betonte der IOW-Direktor. Dies seien Türen oder Brücken, die man nutzen sollte.
Der Wissenschaftsrat – das höchste beratende Gremium in Wissenschaftsangelegenheiten für die Bundesregierung und die Regierungen der Länder – stellte im Mai ein Positionspapier unter dem Titel «Wissenschaft und Sicherheit in Zeiten weltpolitischer Umbrüche» vor. Dort wird unter anderem empfohlen, möglichst schnell eine Nationale Plattform für Wissenssicherheit einzurichten. Sie soll wissenschaftlichen Akteuren als Anlaufstelle dienen – und diese bei der Einschätzung von Wissensrisiken schnell und unbürokratisch mit umfassenden Informationen unterstützen.