Wenn Neutralität fehlt: Brosius-Gersdorf und das Bundesverfassungsgericht

Frau am Bundesverfassungsgericht / KI-Illustration

Ein Kommentar von Dieter Lau

Wenn es um die Personalie Frauke Brosius-Gersdorf geht, muss man sich zunächst die grundlegende Frage stellen, welche Anforderungen man an ein Mitglied des Bundesverfassungsgerichts stellt. Nur wenn man der Auffassung ist, dass ein Verfassungsrichter in höchstem Maße überparteilich und politisch unabhängig sein muss, lohnt es sich, über die Nominierung und die öffentliche Debatte um Brosius-Gersdorf zu sprechen.

Wer diese Anforderungen nicht für zwingend hält, diskutiert letztlich nicht über die Eignung einer Kandidatin, sondern verfolgt politische Interessen – sei es von links oder von rechts, jedoch nicht aus einer demokratischen Mitte heraus.

Geht man hingegen davon aus, dass Überparteilichkeit und Unabhängigkeit die wichtigste Voraussetzung für das höchste Richteramt sind, muss die Personalie Brosius-Gersdorf umfassend bewertet werden – nicht durch selektives Herausgreifen einzelner Argumente, sondern durch eine Gesamtbetrachtung.

Zunächst ist festzuhalten: Es gab von rechts eine scharfe Kampagne gegen Brosius-Gersdorf, insbesondere wegen ihrer Haltung zu § 218 StGB (Schwangerschaftsabbruch). Ihre juristischen Aussagen waren zwar korrekt, wurden jedoch zweideutig formuliert. Dabei ließ sie den Umstand außer Acht, dass der Schwangerschaftsabbruch zwar formal einen Straftatbestand darstellt, Frauen nach Beratung aber legal einen Abbruch vornehmen können. Die Kontroverse reduzierte sich somit auf Wortklauberei – nicht auf eine politische Gesinnung.

Die rechte Kampagne war unsachlich. Gleichzeitig wurde sie von links mit großer Empörung aufgenommen und instrumentalisiert, um die Vorwürfe zu entkräften und die Gegenseite bloßzustellen. Auch diese Reaktion war letztlich politisch motiviert und verfehlte den Kern der Debatte.

Wichtiger sind zwei andere Punkte:

1. Politische Vorfestlegung
Im Juli 2024 erklärte Brosius-Gersdorf in der ZDF-Sendung Lanz, sie würde ein AfD-Verbotsverfahren begrüßen. Zitat:
„Wenn es genug Material gibt, wäre ich auch dafür, dass der Antrag auf ein Verbotsverfahren gestellt wird. Weil das ein ganz starkes Signal unserer wehrhaften Demokratie ist, dass sie sich gegen Verfassungsfeinde wehrt. Dass es Grenzen gibt, die nicht überschritten werden dürfen.“
Zwar schränkte sie ein, dass damit die Anhängerschaft nicht „beseitigt“ werde, dennoch zeigt diese Wortwahl problematische Tendenzen. Zum einen setzt sie die AfD pauschal mit einer verfassungsfeindlichen Partei gleich, zum anderen ist die Vorstellung, Anhänger „beseitigen“ zu wollen, mit einer unparteiischen Haltung unvereinbar. Man kann hierin durchaus eine Vorverurteilung erkennen, die dem Gebot richterlicher Neutralität widerspricht.

2. Plagiatsvorwürfe
Hinzu kommt der schwerwiegende Verdacht wissenschaftlichen Fehlverhaltens: Haben Brosius-Gersdorf oder ihr Ehemann in ihren Dissertationen voneinander abgeschrieben? Fachleute sind sich einig, dass die Arbeiten auffällige Dubletten enthalten, die nur den Schluss zulassen, dass einer der beiden abgeschrieben haben muss. Sollte sie selbst plagiiert haben, stünde dies im klaren Widerspruch zu ihrer eidesstattlichen Erklärung. Sollte ihr Mann abgeschrieben haben, hätte sie das gewusst – und durch Schweigen eine Täuschung gedeckt. In beiden Fällen wäre ihre persönliche Integrität massiv beschädigt.


Die Gesamtbewertung ergibt, dass Frauke Brosius-Gersdorf die Anforderungen an Unabhängigkeit, Überparteilichkeit und persönliche Integrität nicht erfüllt. Angesichts der politischen Vorfestlegung und der ungeklärten Plagiatsaffäre erscheint sie für das Amt einer Verfassungsrichterin ungeeignet.