
Kiel (dpa/lno) – Die Gesetzesreform zum Ausbau erneuerbarer Energien auf Bundesebene sorgt in Schleswig-Holstein für Diskussionen. Einen «Wildwuchs» werde es durch das kürzlich im Bundesrat verabschiedete Windkraftgesetz des Bundes aber nicht geben, sagte der SPD-Energiepolitiker Marc Timmer der Deutschen Presse-Agentur. Der Regierung warf er deshalb Panikmache vor.
Die vom SPD-geführten Bundesbauministerium vorangetriebene Gesetzesnovelle erleichtere den Ausbau erneuerbarer Energien, sagte Timmer. Zentrales Element sei die Ausweisung von Beschleunigungsgebieten für Windräder an Land, einschließlich Energiespeichern am selben Standort. Der Bundesrat hatte dem Gesetz am Freitag zugestimmt.
Künftig dürften mehr Gemeinden Windräder vor Ort aufstellen lassen, auch außerhalb von der Landesregierung festgelegter Gebiete. Vorgaben für Umwelt- und Lärmschutz würden weiter gelten. Bisher war die Gemeindeöffnungsklausel, die den Bau von Windkraftanlagen außerhalb bestehender Vorranggebiete erlaubt, auf etwa 7,2 Prozent der Landesfläche begrenzt, wie Timmer sagte. Die Reform schaffe Rechtsklarheit. Es sei Aufgabe der Landesregierung, die Anwendung der Gemeindeöffnungsklausel zu beenden.
Fehlende Planung
Schleswig-Holsteins Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) hatte zuvor im «Flensburger Tageblatt» gewarnt, durch die Entscheidung drohe «Wildwuchs». Bisher hätten die Länder eine Steuerungsmöglichkeit bei den kommunalen Planungen gehabt – diese fiele mit der Novelle weg.
Umweltminister Tobias Goldschmidt (Grüne) erklärte, dass Kommunen außerhalb der Vorranggebiete für Windräder keine Zielabweichungsverfahren mehr durchlaufen müssten, gefährde den «Windfrieden». Die Änderungen bezeichnete er als «praxisfern».
Das Innenministerium erarbeitet derzeit neue Regionalpläne zum Ausbau der Windkraft. Erste Entwürfe sollen noch im Juli folgen, wie ein Ministeriumssprecher sagte. Danach startet ein Beteiligungsverfahren.
Mit der Verabschiedung der Novelle seien Bemühungen unterlaufen worden, den Bau von Windkraftanlagen auf Potenzialflächen zu begrenzen, sagte der Sprecher. Das Land will die Folgen nun untersuchen. Die auf Bundesebene beschlossene Regelung sei aber befristet. Sie laufe aus, sobald die neuen Regionalpläne Wind auf Landesebene in Kraft treten oder spätestens am 31. Dezember 2027.
Mehr Windräder
Im ersten Halbjahr stieg die Zahl der Windräder auf Wiesen und Äckern im Norden um 16, wie aus jüngsten Zahlen der Fachagentur Wind und Solar hervorgeht. Veröffentlicht haben die Daten der Bundesverband Windenergie und der Verband VDMA Power Systems, der Energieanlagenbauer vertritt.
Unternehmen haben demnach 61 Anlagen in Betrieb genommen und 45 stillgelegt. Unter den 61 Anlagen sind 11, die erneuert worden sind. Nach Angaben des Landesverbandes Erneuerbare Energien (LEE) bedeutete das einen Netto-Zubau an Windkraft-Leistung um 260 Megawatt. Zum Vergleich: Gaskraftwerk in Kiel hat eine Leistung von 190 Megawatt.
Windräder werden üblicherweise mehr als 20 Jahre genutzt und dann früher oder später außer Betrieb gesetzt. Die stillgelegten Anlagen in Schleswig-Holstein waren im Schnitt 21,9 Jahre alt.
Gemessen an der Zahl der Anlagen an Land liegt Schleswig-Holstein in der bundesweiten Tabelle auf Platz vier: Die meisten Windräder stehen demnach in Niedersachsen (6.202), Brandenburg (4.090) und Nordrhein-Westfalen (3.745). Dann folgt Schleswig-Holstein mit 3.263.