Konzertkritik – Roxette in der Barclay Arena Hamburg
Samstagabend in der nicht ausverkauften Barclay Arena: Der Andrang ist spürbar, doch die Ränge sind keineswegs voll. Erwartungsvoll blicken die Fans auf die Bühne, in Vorfreude auf die Legenden von Roxette – jener Band, die den Soundtrack der 90er prägte und mit Hits wie „It Must Have Been Love“ und „Listen to Your Heart“ unvergessliche Momente schuf. Doch dieser Abend sollte anders verlaufen, als man es sich vielleicht erhofft hatte.
Bereits die erste Stunde des Konzerts lässt in Hamburg eine spürbare Unsicherheit aufkommen. Die Songs sind altbekannt, die Melodien vertraut, doch etwas scheint zu fehlen. Lena Philipsson, die neue Sängerin, bringt eine andere Note in die ikonischen Stücke. Ihre Stimme ist deutlich dunkler und tiefer als die von Marie Fredriksson, der verstorbenen Sängerin und Legende der Band. In den ersten Songs schleicht sich der Eindruck ein, als sei man bei einer Coverband und nicht bei Roxette. Zwar ist Philipsson stimmlich keineswegs schlecht, doch ihre Interpretation weicht deutlich von der gewohnten Klarheit und Dringlichkeit ab, die Fredriksson prägte. Besonders bei den großen Balladen, wie „It Must Have Been Love“, merkt man die Herausforderung, die in einem solchen Erbe liegt.
Das Hamburger Publikum scheint zu Beginn mehr mit der fehlenden Stimme von Fredriksson zu kämpfen zu haben als mit der Musikalität der neuen Sängerin. Die Fans sind nett, aber zurückhaltend – fast schon ein wenig verhalten. Lena Philipsson, die professionell und souverän wirkt, versucht gar nicht erst, in den Schatten von Fredriksson zu treten. Sie drängt sich nicht in den Mittelpunkt und singt die alten Hits mit eigener Note, ohne sich in den Vergleich zu stellen. Doch der Funke will an diesem Abend zunächst nicht überspringen. Es ist spürbar, dass die Liebe zu Fredriksson und ihrer einzigartigen Stimme noch zu präsent ist.
Per Gessle, der zweite Teil des Roxette-Duos, bleibt jedoch das unangefochtene Zentrum des Konzerts. Mit roter Schlaghose, breitem Grinsen und einer Energie, die man ihm selbst nach all den Jahren noch immer abnimmt, trägt er das Konzert mit Leichtigkeit. Wie ein Gastgeber, der seine Gäste unterhält, wippt er mit der Gitarre, tanzt, winkt und sorgt dafür, dass die Band durch die anfängliche Unsicherheit zieht. Während die Sängerin bescheiden einen Schritt hinter ihm steht, strahlt Gessle förmlich vor Spielfreude. Doch trotz seines Engagements bleibt der Eindruck: Die Songs sind perfekt, aber etwas fehlt.
Mit der Zeit lockern sich die Stühle, das Publikum beginnt, sich zu lösen. Sobald die ersten großen Hits wie „The Look“ oder „Joyride“ spielen, wird mitgesungen, das Vertrauen in die Band wächst. Doch auch dann bleibt der bittersüße Nachgeschmack der frühen Lieder: Es sind die alten Songs, aber sie klingen ein wenig anders. Sie sind genauso eingängig, genauso tanzbar – aber sie werden von einer anderen Stimme gesungen.
Lena Philipsson macht ihren Job gut, wirklich gut, doch die emotionale Lücke, die Marie Fredriksson hinterlassen hat, bleibt. Auch wenn das Konzert gegen Ende hin die gewohnte Energie entfaltet und die Band sich in alte Tugenden zurückfindet, stellt sich eine Frage: Kann man einen solch einzigartigen Moment wiederbeleben, ohne das ursprüngliche Gefühl zu wecken? Es ist ein Konzert, das die Fans der ersten Stunde begeistert, aber eben auch ein Konzert, das die große Erinnerung an Marie Fredriksson nie ganz loslässt.
Roxette – das ist mehr als Musik. Es ist ein Stück Geschichte, das in diesem Fall nicht ganz so weitergeschrieben werden kann, wie es die Band selbst vielleicht gehofft hatte. Ein schönes Konzert, ja, aber ein Konzert mit dem Gefühl, dass etwas – oder besser gesagt, jemand – fehlt.
