Raubüberfälle auf Kino und Juwelier – Neuneinhalb Jahre Haft

Die beiden Angeklagten seien auf toxische Weise ein Paar geworden, sagt der Vorsitzende Richter in der Urteilsbegründung.
Die beiden Angeklagten seien auf toxische Weise ein Paar geworden, sagt der Vorsitzende Richter in der Urteilsbegründung. Foto: David Hammersen/dpa

Hamburg (dpa/lno) – Innerhalb weniger Stunden überfällt ein Mann in Hamburg einen Antiquitätenhändler, ein Café und ein Kino. Wenige Tage später raubt er ein Juweliergeschäft in Elmshorn (Kreis Pinneberg) aus. Jetzt hat das Landgericht Hamburg den 39-Jährigen zu neuneinhalb Jahren Haft verurteilt. Eine Mitangeklagte bekommt wegen Beihilfe und Hehlerei eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten. 

Beide seien drogenabhängig und hätten sich im Sommer 2023 in einer Entziehungsklinik kennengelernt, erklärt der Vorsitzende Richter Nils Godendorff. Sowohl der 39-jährige Mann mit zahlreichen Vorstrafen als auch die 37-jährige Frau stammen aus sehr bürgerlichen Elternhäusern. 

«Ich dachte, ich würde sterben»

Nach Feststellung des Gerichts lockte der Angeklagte am 6. Februar vergangenen Jahres einen Antiquitätenhändler in den Keller eines Hauses im Stadtteil Eppendorf und drohte, ihm «das Gesicht kaputt zu schießen», wie Godendorff sagte. Dann schlug er ihm mit der Schreckschusspistole ins Gesicht.

Der Antiquitätenhändler habe als Zeuge vor Gericht gesagt: «Ich dachte, ich würde sterben, das war’s.» Dennoch gelang dem 50-Jährigen nach zähem Kampf die Flucht aus dem Keller. Der Angeklagte fuhr ohne Beute auf dem Fahrrad seiner Freundin davon.

Schüsse in Café und Kino

Ein paar Straßen weiter betrat der 39-Jährige ein Café, dessen Betreiber gerade schließen wollten. Wieder forderte er mit der Pistole Geld. Aber die Inhaber wehrten sich. Der Mann warf einen Stuhl nach dem Räuber, die Frau eine Schüssel. Bei dem Gerangel löste sich ein Schuss. Der Angeklagte flüchtete nach Angaben des Richters schließlich mit 20 Euro.

Wenig später, gegen 20.00 Uhr, drang der Angeklagte in ein Kino im Stadtteil Harvestehude ein. An einem gut besuchten Popcorn-Verkaufsstand forderte er mit der Schreckschusspistole die Tageseinnahmen von dem Angestellten. Er erbeutete 300 Euro, gab aber noch einen Schuss in Richtung des Mannes ab.

Hohe Beute verjubelt

Am 15. Februar überfiel der Angeklagte zusammen mit einem Komplizen ein Juweliergeschäft in Elmshorn. Dabei erbeutete er 542 Euro in bar sowie Schmuck im Wert von rund 25.000 Euro. Nur zwei Tage später versuchte die 37-jährige Mitangeklagte, den Schmuck in Berlin zu versetzen. Nach mehreren Versuchen gelang ihr das auch. 

Die Beute verjubelte das Paar in Luxushotels und edlen Restaurants. Knapp zwei Wochen nach dem Überfall auf den Juwelier verhaftete die Polizei den Mann und durchsuchte die Wohnung der Frau.

Therapie auf einsamem Berg geplant

Mit dem Geld hatte das Paar eigentlich etwas Besonderes vorgehabt: Als ausgebildeter Rettungssanitäter wollte er seine Freundin auf einem einsamen Berg, einem Almhof, therapieren, wie Godendorff sagte. 

Der Sohn eines hohen Offiziers war früh drogenabhängig und straffällig geworden. Er begann eine Ausbildung zum Brandmeister bei der Feuerwehr. Seine Vorstellung dabei sei gewesen, «Blondinen aus brennenden Häusern zu retten», sagte der Richter. Der Alltag eines Feuerwehrmanns habe ihn gelangweilt, ein Jahr lang habe er sich krankgemeldet, bevor er die Ausbildung abbrach. 

Toxische Beziehung

Dann habe er zahlreiche Straftaten begangen. In zehn Jahren sei er 14 Mal verurteilt worden, aber nie zu Haftstrafen. Im Sommer 2023 sei er der Mitangeklagten begegnet, einer Tochter aus einem Lehrerelternhaus. Mit Hartnäckigkeit habe er es geschafft, die beruflich gescheiterte Frau von sich abhängig zu machen.

Die Beziehung zwischen den beiden sei toxisch gewesen, «als seien sie durch einen diabolischen Gedanken füreinander gemacht», zitierte Godendorff einen der Verteidiger. Im Herbst 2023 rief die Frau zweimal die Polizei, weil ein Streit mit ihrem Freund eskaliert war.

Bei weiteren Taten könnte Sicherungsverwahrung drohen

In das Strafmaß von neuneinhalb Jahren bezog das Gericht ein früheres Urteil des Amtsgerichts Altona wegen weiterer Straftaten ein. Demnach hatte der Angeklagte am 5. Oktober 2023 einen Jugendlichen vor dem Bahnhof Altona geschlagen, anschließend Polizisten angegriffen und am 25. Oktober 2023 eine Handtasche im Wert von fast 3.000 Euro gestohlen. 

Die Staatsanwaltschaft hatte für den Beschuldigten elf Jahre Haft gefordert. Die Strafkammer blieb jedoch unter dieser Forderung, weil sie nicht sicher feststellen konnte, dass die Pistole beim Überfall auf den Juwelier geladen war. Außerdem wurden die Geständnisse strafmildernd gewertet. Der Richter ermahnte den Angeklagten: «Wenn Sie irgendwann so weitermachen, haben Sie eine gute Möglichkeit auf Sicherungsverwahrung.» Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.