
Darf jetzt jeder fordern, von Gesetzen verschont zu werden? Jobmesse droht Hamburg mit Abwanderung – wenn der Senat nicht spurt
Hamburg – Es wirkt wie ein Erpressungsversuch mit Ansage: Laut Hamburger Abendblatt vom 9.7.2025 stellt der Veranstalter einer Jobmesse in Hamburg der Politik ein Ultimatum – und droht offen mit Rückzug aus der #Hansestadt, sollte der Senat sich nicht über geltendes Recht hinwegsetzen. Der Grund: Die Arbeitsschutzbehörde hat bei einer Messe im Cruise Center #Altona Verstöße gegen das Sonntagsarbeitsverbot festgestellt und Konsequenzen angekündigt.
Was folgte, war keine Einsicht, sondern ein Brandbrief – samt der Forderung nach einer Ausnahmegenehmigung. Sollte diese nicht erteilt werden, wolle man Hamburg als Veranstaltungsort künftig meiden. Eine klare Botschaft: Wer die Regeln durchsetzt, wird abgestraft.
Brisant ist dabei, dass es sich um kein einmaliges Versehen handelt. Die Sonntagsöffnung fand offenbar seit Jahren statt – ohne rechtskonforme Genehmigung. Als die Aufsichtsbehörde Anfang des Jahres auf der Messe kontrollierte, flatterten den Ausstellern im Nachgang Schreiben ins Haus. Darin wurden Bußgelder von bis zu 30.000 Euro angedroht – für den Fall erneuter Verstöße. Dass sich darunter auch öffentliche Arbeitgeber wie Polizei, Zoll und Stadtreinigung befanden, macht die Gemengelage nicht besser – sondern eher absurder.
Gleiches Recht für alle – oder nur, wenn es passt?
Die Veranstalterfirma, die bundesweit 21 Jobmessen organisiert, sieht darin jedoch keinen Regelverstoß, sondern einen politischen Affront. Geschäftsführer Stefan Süß beklagt im Abendblatt-Artikel, man werde daran gehindert, „tausenden Besuchern“ eine Messe zu ermöglichen – als sei der Rechtsbruch nur ein Kollateralschaden im Namen der guten Sache. Dabei stellt sich eine viel grundlegendere Frage: Wer darf in einem Rechtsstaat fordern, von Regeln ausgenommen zu werden – nur weil das eigene Geschäftsmodell sonst nicht funktioniert?
Mit dieser Logik könnte auch jeder Kneipenwirt verlangen, dass Drogenrazzien unterbleiben – schließlich sei der Umsatz am Wochenende besonders wichtig. Oder jeder Konzern fordern, keine Steuerprüfungen zu erhalten, solange Jobs geschaffen werden. Das Prinzip des Rechtsstaats sieht anders aus.
Politik unter Druck – aber wer bestimmt die Spielregeln?
Der Druck auf den Senat wird politisch flankiert: Sowohl Polizeigewerkschaft als auch CDU äußern sich laut Abendblatt empört über die Maßnahme der Behörden. CDU-Politiker Sandro Kappe spricht gar davon, Hamburg behindere „aktiv Job- und Berufsmessen“. Dabei ignoriert auch er die entscheidende Tatsache: Nicht die Messe wurde behindert – sondern die Einhaltung geltenden Rechts eingefordert.
Die Diskussion offenbart ein bedenkliches Muster: Wer laut genug droht und prominent genug klagt, soll offenbar Sonderrechte einfordern dürfen. Dass dies einer modernen Demokratie gefährlich nahe an Erpressung grenzt, scheint dabei niemanden mehr zu stören.
Hamburg täte gut daran, sich nicht auf dieses Spiel einzulassen. Denn Rechtsstaatlichkeit bemisst sich nicht daran, wie viel Publikum eine Messe zieht – sondern ob das Recht für alle gilt. Auch an einem Sonntag.

Text: Sven Wolter-Rousseaux