
Kiel (dpa/lno) – In Schleswig-Holstein öffnen immer mehr Supermärkte ohne Verkaufspersonal. Der Handelsverband Nord begrüßt diese Entwicklung. Die Landesregierung in Kiel arbeitet an einer gesetzlichen Regelung, die strittige Fragen klären soll.
Mit ihrer Bankkarte bekommen Kunden Zutritt zu solchen Supermärkten und können dadurch einkaufen, wann sie wollen. Sie scannen die gekauften Artikel selbst ein, zahlen mit der Karte und verlassen den Laden wieder – ganz ohne Verkaufspersonal, aber überwacht von Videokameras.
Zuletzt hatte ein Edeka-Markt in Harrislee bei Flensburg einen sogenannten 24/7-Supermarkt eröffnet. In Kastorf (Kreis Herzogtum Lauenburg) betreibt die Kette Tante Enso seit kurzem einen solchen Markt, ebenso in Seth (Kreis Segeberg). Nach Schätzung der FDP im Landtag gibt es mittlerweile etwa 20 solcher Kleinmärkte in Schleswig-Holstein, die ohne Verkaufspersonal auskommen.
«Dörfer werden mit solchen Märkten attraktiver»
«Es ist mächtig Bewegung auf diesem Sektor», sagt der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Nord, Dierk Böckenholt, auf dpa-Anfrage. Es gehe um die bessere Versorgung mit Lebensmitteln auf dem Land. Kleine Dörfer würden mit solchen Märkten attraktiver.
Der Handelsverband begrüße die Entwicklung auch vor dem Hintergrund, dass der Einzelhandel in Deutschland bis zum Jahr 2030 einen Verlust von 40.000 Fachkräften bewältigen müsse, so Böckenholt. In Schleswig-Holstein würden dann grob geschätzt 1600 Kräfte fehlen. Deshalb sei es gut, die neue Technik zu testen. «Das sind moderne Konzepte, die einen Innovationsschub auslösen können.»
Auch die großen Handelsmarken wie Edeka und Rewe eröffnen solche Märkte. Investitionen lohnten sich für die Betreiber aber nur, wenn die automatisierten Märkte auch an Sonn- und Feiertagen geöffnet sein dürfen, sagt Böckenholt. An dieser Frage hatte sich die Kritik von Kirchen und Gewerkschaften entzündet. Aus Sicht des Handelsverbandes lasse sich das harmonisieren, erklärt der Hauptgeschäftsführer. Er hoffe auf einen guten Kompromiss.
Kirche und Gewerkschaft sehen Sonntagsschutz ausgehöhlt
Nach allen Erfahrungen aus anderen Bundesländern funktionierten solche automatisierten Supermärkte eben doch nicht ohne Menschen, sagt Bert Stach, der Leiter des Fachbereichs Handel im Verdi-Landesbezirk Nord. Er nennt das Beispiel einer ausgelaufenen Milchtüte: «Jemand muss die wegputzen und bei der Gelegenheit werden dann oft auch schnell die Regale nachgefüllt.»
Auch der Kirchliche Dienst in der Arbeitswelt bezweifelt, dass an Sonn- und Feiertagen keine Beschäftigten in den automatisierten Verkaufsstellen arbeiten. Beispiele aus Hessen und Bayern nährten diese Zweifel.
Schleswig-Holsteins Landesregierung aus CDU und Grünen arbeitet an einer Regelung. Im Frühjahr seien die betroffenen Verbände angehört worden, erklärt der Sprecher des Wirtschaftsministeriums, Harald Haase. Derzeit werde der Gesetzentwurf überarbeitet. Voraussichtlich im September solle das Gesetz im Landtag beraten und beschlossen werden.
Landesregierung plant Beschränkung der Verkaufsfläche
Soweit der restriktiv zu beachtende Sonn- und Feiertagsschutz nicht entgegenstehe, solle im kleinen Rahmen im ländlichen Bereich eine personallose Sonn- und Feiertagsöffnung zugelassen werden, sagt Haase. Sie beschränke sich nach den bisherigen Planungen auf Kleinstsupermärkte mit einer Verkaufsfläche von bis zu 150 Quadratmetern in Orten mit bis zu 1500 Einwohnern.
«Wir hoffen, dass wir durch eine deutliche Beschränkung auf nur einen geringen Umfang von möglichen Sonntagsöffnungen weitestgehend im Konsens agieren können», sagt der Sprecher von Wirtschaftsminister Claus Ruhe Madsen. Die Kritik an einer Ausweitung der Öffnungszeiten sei nach der Anhörung aber nicht leiser geworden.
Der FDP geht der Gesetzentwurf nicht weit genug. «Ein guter Kompromiss wäre, vollautomatisierte Supermärkte unabhängig von der Ladengröße sonn- und feiertags öffnen zu lassen, sofern kein Personal eingesetzt wird», sagt der FDP-Landtagsabgeordnete Bernd Buchholz. Das würde den berechtigten Forderungen der Beschäftigten gerecht werden und niemanden in seiner Entscheidungsfreiheit beschränken, sonn- und feiertags einkaufen zu gehen.
Einen entsprechenden Gesetzentwurf habe die FDP bereits Anfang 2024 eingebracht. «Bislang wollen CDU und Grüne unserem bürokratiearmen und fairen Vorschlag leider nicht folgen», sagt Buchholz.