Schluss jetzt! Viel zu hohe Getränkepreise vergraulen Kunden
Dass ein 0,33-Liter-Bier inzwischen 4,20 Euro kostet – mancherorts sogar 6,50 Euro für den halben Liter – ist längst keine Ausnahme mehr. Und es betrifft nicht nur schicke Szeneviertel oder touristische Hotspots. Land auf, Land ab klettern die Getränkepreise in der Gastronomie in Höhen, die viele Gäste inzwischen schlicht nicht mehr bereit sind zu zahlen. Die Folge: Die Menschen trinken weniger, halten sich kürzer in Kneipen und Restaurants auf, und viele Betriebe beklagen sinkende Umsätze. Doch anstatt Ursachenanalyse zu betreiben, zeigen viele Wirte reflexhaft auf Politik, Inflation oder Steuern. Dabei liegt ein Teil des Problems in der eigenen Preispolitik – und in mangelndem betriebswirtschaftlichem Verständnis.
Ein Liter Fassbier kostet den Gastronomen im Einkauf durchschnittlich rund 1,80 Euro. Wird dieser Liter – umgerechnet etwa drei 0,33-Liter-Gläser – für rund 13 Euro verkauft, verbleibt eine Bruttomarge von 11,20 Euro. Ein Gewinnaufschlag von über 600 Prozent. „Kein anderes Alltagsprodukt hat einen derart hohen Aufschlag im Verhältnis zum Einkauf“, kritisiert der Betriebswirtschaftsprofessor Dr. Ralf König. „Das wäre in jedem anderen Markt vollkommen undenkbar.“

Auch Gäste sehen das zunehmend kritisch. Nicko, ein regelmäßiger Biertrinker, sagt: „Früher habe ich locker drei Bier getrunken. Heute bestelle ich nur noch zwei – einfach, weil 4,20 Euro für ein kleines Glas zu viel ist.“ Seine Rechnung ist simpel: Wären die Preise moderater, würde der Konsum steigen. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist das keineswegs naiv. Rechnet man seine Situation durch, ergibt sich ein anschauliches Bild:
Verkauft ein Gastronom zwei Biere à 4,20 Euro, beträgt seine Bruttomarge etwa 7,21 Euro. Verkauft er hingegen drei Biere à 3,50 Euro, steigt sie auf rund 8,72 Euro. Die niedrigere Preisschwelle kurbelt den Umsatz nicht nur an, sie steigert sogar den Ertrag pro Gast.
Viele Gastronomen widersprechen jedoch. „Wir können nicht günstiger werden – Personal, Energie und Miete explodieren“, erklärt Wirtin Stefanie H. Doch genau hier mahnt die Betriebswirtschaft zur Differenzierung: Hohe Fixkosten werden nicht durch hohe Einzelpreise kompensiert, sondern durch eine ausgewogene Balance von Preis, Nachfrage und Auslastung. „In vielen Fällen führt eine zu aggressive Preiserhöhung zu einem Nachfragerückgang, der die erhofften Mehreinnahmen zunichtemacht“, so Prof. König.
Kunden empfinden die Getränkepreise zunehmend als Abzocke. Eine Obergrenze von etwa 1,10 Euro pro 100 Milliliter wäre für viele ein fairer Richtwert – das entspräche 3,60 Euro für 0,33 Liter oder rund 5,50 Euro für den halben Liter. Stattdessen wird der Ruf nach einer Mehrwertsteuersenkung für die Gastronomie laut. Doch auch hier kommt Kritik: „Warum sollen ausgerechnet Gastronomen steuerlich entlastet werden? Warum nicht auch Handwerker, Pfleger, Maurer oder Tischler?“, fragt Kundin Jana M.
Die Branche steht an einem Scheideweg. Entweder sie sucht die Schuld weiter bei anderen – oder sie beginnt, ihre Preisstrategien kritischer zu hinterfragen. Klar ist: Wohl kaum ein Kunde hat etwas dagegen, dass ein Bier seinen fairen Preis hat. Aber niemand lässt sich gern für dumm verkaufen. Und genau diesen Eindruck erwecken viele Getränkepreise mittlerweile.
Text: Dieter Lau / Hansetipp
