
Kiel (dpa/lno) – Schleswig-Holstein bekommt mehr Vorranggebiete für Windenergie. Bis 2032 sollen es rund 3,4 Prozent der Landesfläche sein, wie aus den Entwürfen der Regionalpläne hervorgeht. Bisher hatte das nördlichste Bundesland rund zwei Prozent ausgewiesen.
Die neuen Pläne sollen sicherstellen, dass die Anforderungen des entsprechenden Bundesgesetzes eingehalten werden. Außerdem will Schleswig-Holstein die installierte Windkraft-Leistung an Land bis 2030 auf 15 Gigawatt erhöhen. Vorgesehen seien rund 410 Vorranggebiete.
1.000 Meter Abstand bei neuen Vorranggebieten
Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) sprach von einem Meilenstein. Es hätten schwierige Abwägungsentscheidungen zwischen den Schutzbelangen, etwa Wohnbebauung und Naturschutz, getroffen werden müssen. Sie sprach von mühevoller Kleinarbeit, die am besten geeigneten Vorranggebiete auszuwählen.
Bei rund einem Viertel der Flächen musste der Abstand zur Wohnbebauung wegen bestehender Windräder komplett oder teilweise auf 800 Meter festgelegt werden. Bei neuen Vorranggebieten beträgt der Abstand 1.000 Meter. Im jetzt beginnenden Beteiligungsverfahren, in dem die Öffentlichkeit Ihre Belange einbringen kann, werde es zudem wahrscheinlich noch Änderungen geben, so die Ministerin.
Energiewendeminister Tobias Goldschmidt (Grüne) verwies auf besorgniserregende Entwicklungen in der Welt in Bezug auf Klimawandel und Energiepolitik. «In Südeuropa brennen die Wälder, die USA zwingen Europa einen Frackinggasdeal auf, den es noch nicht gegeben hat in der Geschichte, es droht ein fossiler Rollback.» Schleswig-Holstein halte Kurs in der Energiewende und Kurs zu einem klimaneutralen Industrieland.
Im nördlichsten Bundesland seien bereits 9,0 Gigawatt Windenergie installiert. Weitere 2,7 Gigawatt seien genehmigt, 2,4 Gigawatt im Genehmigungsverfahren. Zum Vergleich: Ein mittleres Atomkraftwerk hat eine installierte Leistung von rund einem Gigawatt, erreicht aber eine deutlich höhere Stromproduktion als Windräder mit vergleichbarer Leistung, weil der Wind nicht immer weht.
«Das heißt, wir sind auf einem wirklich guten Kurs in Schleswig-Holstein», sagte Goldschmidt. Ein Gigawatt installierte Windenergieleistung bedeute etwa eine Milliarde Euro Investition. Daran könne man auch die regionalwirtschaftliche Bedeutung des Windkraftausbaus erkennen.
Fertige Pläne bis Herbst 2026
Bis zum Herbst 2026 sollen die Regionalpläne Windenergie abgeschlossen sein. Dann ende auch die Öffnungsklausel, die Gemeinden derzeit ermögliche, Anlagen außerhalb von Vorrangflächen zu planen.
Der CDU-Landtagsabgeordnete Thomas Jepsen betonte, dass alle Beteiligten Planungssicherheit bekämen. So könne der über viele Jahre aufgebaute Windfrieden erhalten werden.
Für die Grünen betonte die Landtagsabgeordnete Ulrike Täck, man lasse sich «von der gestrigen Energiepolitik der Bundesregierung nicht aus dem Tritt bringen, denn die erneuerbaren Energien sind ein erheblicher Wirtschaftsfaktor und der zukunftsweisende Weg der Energieversorgung».
Der SPD-Landtagsabgeordnete Marc Timmer kritisierte, die Frist für Beteiligungsverfahren sei von drei auf zwei Monate verkürzt. Sütterlin-Waack hatte das damit begründet, dass zwei Drittel der Vorrangflächen bereits Teil früherer Beteiligungsverfahren waren.
Aus Sicht der SSW-Abgeordneten Sybilla Nitsch wiederholt die Landesregierung alte Fehler. Die Bürger müssten vor Ort mitentscheiden können. Nach Überzeugung des FDP-Fraktionsvorsitzenden Christopher Vogt gefährdet Schwarz-Grün mit diesen Plänen in verschiedenen Regionen des Landes die Akzeptanz der Windenergie. Die Regierung nehme zu wenig Rücksicht auf die berechtigten Belange von Anwohnern und Natur.
Der Landesverband Erneuerbare Energien Schleswig-Holstein reagierte positiv. «Dies ist ein weiterer Schritt der Landesregierung in Richtung Transformation hin zu 100 Prozent erneuerbare Energien und damit ein wichtiger Schritt für Versorgungssicherheit, Energiesouveränität und Klimaschutz in Land und Bund», teilte Geschäftsführer Marcus Hrach mit.
Steigender Strombedarf erwartet
Es gebe keinen Zweifel, dass der Strombedarf wegen der Mobilitäts- und Wärmewende weiter steigen werde. Auch der Bedarf der Unternehmen an grünem Strom werde wachsen. Hrach lobte den Willen, die Pläne bis Herbst 2026 zu finalisieren. «Dies festigt den Standortvorteil und den Status Schleswig-Holsteins als Vorreiter der Energiewende.»
Der Umweltverband BUND dagegen kritisierte die Pläne und forderte, Vogelzug-Korridore, die nordfriesischen Inseln, Eiderstedt, die Eider-Treene-Sorge-Niederung und die Wiedingharde müssen aus Vogelschutzgründen frei von Windenergieanlagen bleiben. Der Verband kündigte an, Bauleitverfahren zur Windenergie juristisch genau zu prüfen.