
Kiel (dpa/lno) – Die FDP warnt vor einer dauerhaften Überlastung der Staatsanwaltschaften in Schleswig-Holstein. «Inzwischen werden bei den Staatsanwaltschaften des Landes 88,5 Prozent aller Verfahren eingestellt», sagte der Justizpolitiker Bernd Buchholz (FDP) zu den Ergebnissen einer großen Anfrage seiner Fraktion an die Landesregierung. Bei einer derartigen Überlastung der Strafverfolger sei es «kein Wunder, dass auch Haftsachen irgendwann mal liegenbleiben und dass man dann wegen überlanger Verfahrensdauer Menschen aus der Untersuchungshaft entlassen muss».
«Hier wird nicht der Rechtsstaat durchgesetzt», sagte der frühere Wirtschaftsminister. Es werde nur noch verwaltet, im Wesentlichen würden Verfahren eingestellt und nur noch wenige tatsächlich zur Anklage gebracht. Fast ein Fünftel des notwendigen Personals bei den Staatsanwaltschaften fehle. Buchholz räumte aber ein, dass die Landesregierung die Sollquote von 75,3 Prozent im Jahr 2023 durch neue Stellen auf 81 Prozent im vergangenen Jahr gesteigert habe.
Personal
Ein Ministeriumssprecher sagte der Deutschen Presse-Agentur, «aus den Einstellungsquoten der Staatsanwaltschaften lassen sich keine belastbaren Rückschlüsse auf die personelle Ausstattung der Staatsanwaltschaften – weder eine ausreichende noch eine unzureichende – ziehen». Ob ein Verfahren eingestellt oder der Täter/die Täterin angeklagt werde, entscheide die Staatsanwaltschaft unter Berücksichtigung der Stärke des Tatverdachts und der Opportunitätsvorschriften, die unter bestimmten Voraussetzungen unter anderem eine Einstellung wegen Geringfügigkeit oder gegen Auflagen zulassen.
Auf die angespannte Situation bei den Staatsanwaltschaften habe die Regierung bereits mit neuen Stellen reagiert, sagte der Sprecher. «In der laufenden Legislaturperiode – seit 2022 – haben wir im Bereich der Generalstaatsanwaltschaft und den vier Staatsanwaltschaften im Land insgesamt 42 neue Stellen bei den Staatsanwaltschaften geschaffen – eine Steigerung um über 16 Prozent.» Allein im aktuellen Etat habe die Koalition trotz angespannter Haushaltslage 14 neue Stellen geschaffen. Auch im kommenden Haushalt seien weitere Stellen geplant.
Lange Prozesse
Zudem sind die Gerichte durch immer längere Verfahren belastet. «Die Anzahl der Hauptverhandlungstage vor einem Schwurgericht lag im Jahr 2016 bei etwa 201, im Jahr 2024 bei 451», sagte Buchholz. Große Strafkammern hatten 2016 im Schnitt 508 Verhandlungstage und 2024 bereits 893. «Die Komplexität dieser Verfahren ist gestiegen. Es werden teilweise von Anwälten natürlich Verteidigungsschriftsätze auch mit KI produziert.»
«Wir drohen an einer Überlastung der Justiz zu scheitern», sagte Buchholz. Nur etwas mehr Personal löse das Problem nicht. Durch externe IT-Spezialisten müsse die Performance der elektronischen Akten verbessern, denn zu oft säßen Richter am Computer derzeit vor einer Eieruhr.
Außerdem forderte Buchholz Justizministerin Kerstin von der Decken (CDU) auf, die geplante Reform der Amtsgerichtsstruktur auszusetzen. Ein relevantes Einsparpotenzial sei nicht bekannt. «Es ist aus meiner Sicht auch nicht die Aufgabe der Justizministerin, im Bereich der Justiz als Einzelne Gebäudekosten wegzusparen. Es ist ihre Aufgabe, eine handlungsfähige Justiz auf die Beine zu stellen. Deshalb Finger weg von der Amtsgerichtsstruktur.»
Zur Diskussion steht immer noch, die Anzahl der Amtsgerichte in Schleswig-Holstein zu reduzieren. Bislang gibt es in den 15 Kreisen und kreisfreien Städten zusammen 22 Amtsgerichte.