Kraftstoff aus Windkraft – Erste schwimmende Anlage im Test

Die Plattform ist nach Angaben der Forscher weltweit einzigartig.
Die Plattform ist nach Angaben der Forscher weltweit einzigartig. Foto: Sina Schuldt/dpa

Bremerhaven (dpa) – Ein Forschungsteam testet, wie mit Windenergie mitten im Meer künftig nachhaltige Kraftstoffe erzeugt werden können. «Das wird das erste Mal auf einer schwimmenden Plattform in dieser Form weltweit demonstriert und erprobt», sagte Matthias Metten vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) bei der Vorstellung des Projekts in Bremerhaven. 

Wissenschaftler wollen Windenergie effizienter nutzen

Windräder auf dem Meer liefern mehr und gleichmäßigeren Strom als an Land. Während Anlagen an Land etwa 3,5 Megawatt schaffen, kommen Offshore-Windräder auf rund 5 Megawatt. Doch für den Windstrom müssen bisher Seekabel verlegt werden – das ist aufwendig, teuer und schadet der Umwelt.

Pro Gigawatt sei ein Kabel nötig, rechnete Projektkoordinator Roland Dittmeyer vor. Wenn der Windpark weit draußen im Meer liegt, koste ein solches Kabel rund vier Milliarden Euro. Anstatt den Strom an Land zu transportieren, wollen die Wissenschaftler die Energie noch auf dem Meer nutzen. «Das kostet vielleicht bei der gleichen Energiemenge nur ein Zehntel.»

Stoffe aus der Luft oder dem Meer

Auf der schwimmenden Plattform soll direkt Wasserstoff hergestellt werden. In weiteren Schritten kann der Wasserstoff dann zu anderen Stoffen wie Ammoniak, E-Fuels, LNG (Methan) oder Methanol verarbeitet werden. 

Dafür braucht es neben Wasser auch CO₂ und Stickstoff. Diese Stoffe sollen ebenfalls direkt vor Ort gewonnen werden – etwa aus der Luft oder dem Meer. Das Forschungsteam will zudem testen, ob Meerwasser direkt – also ohne vorheriges Entsalzen – zur Herstellung von Wasserstoff genutzt werden kann. 

Tests in Bremerhaven und vor Helgoland

Der Aufbau läuft seit Januar. Die Wissenschaftler erproben die Plattform zunächst im Bremerhavener Hafen und ab August vor Helgoland. Für den Test komme der Strom von Diesel-Generatoren, berichtet Philipp Rentschler vom KIT. «Wir wollten eigentlich an einen Windpark ran, aber es gab keinen Windbetreiber, der uns seinen Windpark hätte anzapfen lassen.»

Das Team erprobt die Produktion von sogenanntem E-Fuel. «Das ist der komplizierteste Prozess», sagte Rentschler. Täglich soll ein Barrel, also 159 Liter, hergestellt werden. Eine kommerzielle Anlage könnte perspektivisch die hundertfache Menge produzieren und Schiffe oder Flugzeuge mit umweltfreundlichem Treibstoff versorgen.

Für die Forscher ist entscheidend, erst einmal die Alltagstauglichkeit der Plattform zu testen. Sie wollen die Auswirkungen von Wind und Wellen beobachten. «Die Anlagen auf See müssen eins tun: Sie müssen mit dem fluktuierenden Windstrom zurechtkommen, denn der ist nicht stetig da. Wir haben auch mal Windflaute», sagte Projektleiter Metten. 

Bis zu sieben Wochen rund um die Uhr im Einsatz

Das Forschungsteam plant, die Anlage je nach Wetter sechs bis sieben Wochen mitten im Meer zu testen. «Das ist natürlich auch sehr risikoreich, denn wenn wir die ganze Zeit sehr schlechtes Wetter haben und sehr schlechte See, dann wird das nicht funktionieren», sagte Metten.

Die Plattform muss in der Testphase rund um die Uhr von sechs Menschen betreut werden. Nach einer Schicht von zwölf Stunden kommt ein Schiff mit dem nächsten Team zur Ablöse. Alle zwei Wochen soll die Plattform in den Hafen gebracht werden, um Vorräte aufzufüllen und Abwasser zu entsorgen. 

Erste kommerzielle Plattformen in frühestens fünf Jahren

Die schwimmende Plattform ist Teil des Projekts «H2 Mare» und wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit mehr als 37 Millionen Euro gefördert. Die Förderung läuft Ende des Jahres aus. Wie es dann weitergeht, ist noch unklar. 

Die Forscher hoffen, dass in den nächsten Jahren erste kommerzielle Plattformen gebaut werden. «Das ist sicherlich ein Weg, den die Industrie gehen muss», meint Metten. Das sei anfangs allerdings nur mit Fördergeldern auf europäischer Ebene möglich, weil Kosten und Risiken ansonsten zu hoch seien. 

Das Potenzial werde jetzt deutlich, da immer mehr Windanlagen weit draußen auf dem Meer errichtet werden. «Vorher war einfach nicht das Interesse da», sagte der Projektleiter. «Ich denke, in fünf bis zehn Jahren sieht das Ganze anders aus. Vielleicht sehen wir dann wirklich die ersten Plattformen auf offener See, die Wasserstoff produzieren oder andere Derivate wie zum Beispiel Ammoniak, Methanol oder auch Methan.»