
Hamburg (dpa/lno) – Hungrige Kundinnen und Kunden des größten deutschen Lieferdiensts Lieferando warten Ende der Woche in Hamburg möglicherweise vergeblich auf ihr Essen. Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) hat dessen Beschäftigte für Freitag und Samstag zu einem 36-stündigen Warnstreik aufgerufen. Es sei der Auftakt zu weiteren Arbeitsniederlegungen in ganz Deutschland, teilte die Gewerkschaft mit. Hintergrund sei die Weigerung des Mutterkonzerns Just Eat Takeaway, über einen Tarifvertrag für die rund 6.000 Beschäftigten zu verhandeln.
NGG: Lieferando stellt sich seit mehr als zwei Jahren taub
Seit mehr als zwei Jahre stelle sich Lieferando taub, klagte NGG-Referatsleiter Mark Baumeister. «Gerade nach der hohen Inflation der letzten Jahre ist ein Tarifvertrag mehr als überfällig.» Außerdem müsse Lieferando aufhören, auf Dienstleister wie «Fleetlery» zu setzen, um im Vorgriff auf die Umsetzung der EU-Plattformrichtlinie das Kuriergeschäft in fremde Hände zu geben.
Allein in Berlin seien in den vergangenen Monaten rund 500 Arbeitsplätze bei Lieferando abgebaut worden, klagte die NGG. Und nicht nur das: Oft würden die gekündigten Beschäftigten zeitnah durch Subunternehmen kontaktiert, um ihnen einen neuen Vertrag zu deutlich schlechteren Konditionen anzubieten.
Bisher längster Warnstreik beim Essenslieferanten
«Der 36-Stunden-Warnstreik in Hamburg ist der bisher längste Streik bei Lieferando», sagte NGG-Gewerkschaftssekretär Vincent Orth aus der Region Hamburg-Elmshorn. Die Gewerkschaft sieht sich mit ihren Forderungen im Einklang mit den überwiegend migrantischen Beschäftigen, nämlich ein Tarifvertrag mit mindestens 15 Euro Grundlohn, tariflichen Zuschlägen sowie ein Ende weiterer Auslagerungen.
Der Warnstreik beginnt nach NGG-Angaben am Freitag, 12.00 Uhr, und soll bis Samstag, 24.00 Uhr, dauern. Am Freitag sei zudem von 12.30 Uhr an ein Demonstrationszug vom Gewerkschaftshaus unweit des Hauptbahnhofs zum Lieferando-HUB im Stadtteil Hammerbrook und wieder zurück geplant.
Lieferando rechnet kaum mit Einschränkungen für die Kundschaft
Ein Sprecher von Lieferandos Logistikgesellschaft Takeaway Express sagte, er rechne kaum mit Einschränkungen an diesem Wochenende. «Denn die meisten Restaurants liefern ihre Bestellungen selbst aus, und auch diesem Aufruf der NGG werden erfahrungsgemäß nur wenige Fahrer folgen.» Die meisten schätzten ihre im Markt einzigartig abgesicherten Arbeitsbedingungen – und sie verstünden, dass eine Streikwelle den eigenen Betrieb schwächen würde. Einen Tarifvertrag nannte er «im gegebenen Marktumfeld unrealistischer denn je».
Die niederländische Lieferando-Mutter Just Eat Takeaway befindet sich derzeit in einem Übernahmeverfahren durch den südafrikanischen Delivery-Hero-Großaktionär Prosus. Demnach können Teilhaber von Just Eat Takeaway ihre Aktien noch bis zum 29. Juli anbieten. Die Übernahme soll zum Jahresende abgeschlossen sein und Prosus rund 4,1 Milliarden Euro kosten. Management und Aufsichtsrat von Just Eat Takeaway unterstützen den Deal.